Discovering New Ways of Living in the Modern Urban Jungle, London, William Collins, 2025, 408 Seiten, 12 farbige Aufnahmen zu besuchten Städten
Fitch beschreibt seine Beobachtungen in zwölf großen Städten, die er weltweit wegen einer Besonderheit der jeweiligen Stadtnatur ausgewählt hat. Abschließend schildert er das in London vorbildliche Bürgerengagement, das als Rahmen den offiziellen Titel „London Nationalparkstadt“ durchgesetzt hat und mit inzwischen schon über 100 sachkundigen „park rangers“ in vielen Stadtteilen die Menschen anregen und unterstützen, aktiv zur weiteren Entwicklung ihrer „Nationalparkstadt“ beizutragen.
Fitch führt jeweils Gespräche mit den Menschen, die sich für die Entwicklung des besonderen Aspektes der Stadtnatur engagieren oder zuständig sind. Die zwölf Kapitel beginnen jeweils wie ein Reisebericht, gefolgt von Gesprächen mit lokal sachkundigen engagierten Menschen und genauen Beschreibungen des besonderen Schwerpunktes der lokalen Stadtnatur. Abschließend wird jeweils auf ähnliche Initiativen in anderen großen Städten verwiesen. Das jeweilige Thema wird mit umfangreichen und sehr aktuellen Verweisen auf fachwissenschaftliche Publikationen in Zeitschriften und nur im Internet zugänglichen Arbeiten zu einem Angebot für jeden für Stadtnatur Zuständigen und für alle engagierten Stadtbewohner zu prüfen, ob Ähnliches auch in der eigenen Stadt zur Aufwertung der Stadtnatur angegangen werden kann.
Tokio, Japan – The big city with little forests. In diesem Kapitel wird umfassend die Bedeutung selbst von kleinsten mit Bäumen bepflanzten Flächen für Gesundheit der Menschen in dicht bebauten und weitgehend versiegelten Stadträumen am Beispiel von Tokio erläutert. Es werden besonders geeignete Baumarten für schwierige, auch sehr kleine Standorte in versiegelten Stadträumen vorgestellt.
Eine sehr aufwendige Pflanzung von 120 000 Bäumen aus ganz Japan auf einer großen Fläche zur Ehrung des 1912 verstorbenen Kaisers Edo, die längst von der riesigen Stadt umschlossen ist, wird seit 100 Jahren ohne pflegerische Eingriffe wissenschaftlich dokumentiert. Der Forstwissenschaftler Migawaki hat u.a. auf dieser Grundlage optimale Pflanzstrategien zur Anlage von Wäldern, auch sehr kleinen, entwickelt, die inzwischen weltweit umgesetzt werden und Wirtschaftswälder ersetzen sowie in Afrika koloniale Pflanzungen durch heimische Hölzer abgelöst haben.
Medellin, Colombia - The city where everything is connected. Der radikale Wandel dieser von Kriminalität, Drogen und Verwahrlosung geprägten Stadt hat in den achtziger Jahren seinen Anfang mit der Pflanzung von 30 000 Bäumen durch den Bürgermeister Jorge Molina von 1986 bis 2001 genommen. Molina war ein bedeutender Unternehmer in Medellin. Die Wirkung dieser Bäume war der Anfang für eine fortgesetzte ökologisch orientierte Umgestaltung der Stadt Medellin. Zentral war dabei die vorrangige Schaffung grüner Korridore quer durch das ganze Stadtgebiet. Die verbesserte Lebensqualität hat zu einer politischen Mehrheit für den weiteren Um- und Ausbau von Medellin nach ökologischen Gesichtspunkten geführt.
Singapore, The city with buildings covered in life - Singapore ist ein kleiner (Stadt-)Staat, der bereits große wirtschaftliche Bedeutung in allen kolonialen Phasen besaß. Nach der Herauslösung aus Malaysia erlebte der multiethnische Stadtstaat Singapur einen sehr erfolgreichen Modernisierungsprozess unter einer quasi diktatorischen politischen Führung, die eine radikal ökologische Gestaltung des gesamten Stadtgebietes durchgesetzt hat, die als Vorbild für den notwendigen, dem Klimawandel geschuldeten, Umbau großer Städte viele Möglichkeiten aufzeigt.
Diesem Stadtstaat in einer tropisch heißen Zone ist es gelungen, durch verordnete, häufig innovative Formen der Begrünung und strenger Begrenzung des Autoverkehrs das Klima in der städtischen Lebenssphäre erheblich zu verbessern.
Anhand einer innovativen Bewertungsformel des Verlustes von offenem Grünland durch Flächenversiegelung bei Bebauung wird eine Genehmigung an die Auflage geknüpft, durch Begrünung des geplanten Gebäudes mindestens den Verlust von offenem Boden zu kompensieren. Ein vertikal und horizontal begrüntes Hochhaus mit vielen Stockwerken in Singapur hat diese Auflage mit zu 1100 Prozent erfüllt. Die nachträgliche umfassende Begrünung eines großen Parkhauses hat die Innentemperatur um 18 Grad verringert. Optimal begrünte Hochhäuser in Singapur benötigen in diesem tropischen Raum kaum technische Klimatisierung. Auf grünen Dächern wird u.a. erfolgreich Landwirtschaft betrieben, aber es gibt auch schattige Ruhezonen. Im Weiteren verweist Fitch auf umfassende Begrünung von einzelnen Gebäuden u.a. in Mailand und Paris.
Städtische Wärme- oder Hitzeinseln sind die Folge umfassender Versiegelung. Mit der Auflage jede Versiegelung von „Grünland“ durch „Begrünung“ zu kompensieren, würde die Entwicklung von „Hitzeinseln“ gemindert bzw. verhindert. In historisch gewachsenen Innenstädten mit umfangreicher Altbausubstanz wird es häufig nur schwer möglich sein, durch nachträgliche Begrünung die versiegelte Fläche vollständig zu kompensieren. In solchen Fällen wäre eine zweckgebundene Abgabe zu erwägen, mit der umfangreiche Begrünung von Objekten in öffentlichem Eigentum und zum Beispiel das Pflanzen von Bäumen im Quartier finanziert werden kann. Auch die Genehmigung von Einzelhäusern einschließlich weiterer versiegelter Flächen auf dem gleichen Grundstück ist an die Schaffung entsprechender zusätzlicher Begrünung zu binden. Versiegelte Parkplätze (oder besser „Stehplätze“) auf öffentlichen Flächen sind zur Finanzierung der Schaffung von entsprechender Begrünung entsprechend zu bepreisen. Von Singapur kann man in Europa lernen, wie man städtische Räume angesichts des Klimawandels umbauen muss, um die häufig schlechte Wohnqualität angesichts des Klimawandels wenigstens zu erhalten, aber möglichst zu verbessern.
Tallin, Estonia, The sanctuary city for pollinators - Tallin ist die nördlichste der behandelten Städte. Eine Bürgerinitiative, blühende Gewächse in das Stadtgebiet zu bringen, hat sich in Tallin zu einem „Labor“ entwickelt, das u.a. die Voraussetzungen für die Förderung von Bestäuberinsekten untersucht hat und die Erkenntnisse bei der Gestaltung des städtischen Grüns umsetzen konnte. Es wurde eine Liste mit 800 bestäuberfreundlichen Pflanzen für Tallin ermittelt.
Es wurden Blühstreifen quer durch die Stadt angelegt. Sie erhielten sandige Abschnitte zur Förderung von Solitärbienen, die dort ihre Bruthöhlen anlegen. Das riesige Universum wirbelloser Lebewesen wurde zu einem kleinen Teil beobachtet und festgestellt, dass die Ausbreitung weitgehend auf das jeweilige Habitat beschränkt ist und daher die Blühpflanzenflächen möglichst keine größeren Distanzen zueinander haben sollten. Bei den Blühpflanzen wurde ermittelt, dass heimische Arten vorteilhaft sind. Eine wichtige Erkenntnis war, dass eine riesige Zahl sehr verschiedener Insekten, darunter viele Wildbienenarten, die unverzichtbare Bestäubung in der Natur erledigt. Auf wenig geschätzten Unkrautflächen findet sich regelmäßig eine besonders hohe Anzahl an Bestäuberinsektenarten. Durch die Beschränkung des Mähens öffentlicher Rasenflächen auf ein bis zweimal im Jahr haben sich Menge und Zahl der ermittelten Insektenarten auf solchen Flächen deutlich erhöht.
Im Anschluss an die Beobachtungen in Tallin dokumentiert Fitch den weltweiten dramatischen Rückgang der Insektenpopulation, dessen Ursachen nur in groben Zügen benannt werden können, aber dringend eingehender erforscht werden müssen. Denn Bestäubung ist eine unverzichtbare Voraussetzung für Biodiversität. Bestäubungsinsekten reagieren auf Klimaänderung und Luftverschmutzung. Geeignete Habitate verschwinden in zunehmend ausgeräumter Landschaft, die der Entwicklung der Landwirtschaft zu „Freiluftfabriken“ geschuldet ist. Städte werden so zu wenig geeigneten, aber alternativlosen Zufluchtsorten für Fauna und Botanik der ländlichen Räume, was bei der Förderung der Stadtnatur berücksichtigt werden sollte.
Wellington, New Zealand, The city where the birds came back. Eine einzigartige Vielfalt von Vögeln vor der ersten Besiedlung Neuseelands von Tahiti aus und im 19. Jahrhundert der kolonialen europäischen Besiedlung ist heute anhand von Skelettfunden dokumentiert. Die Besiedlung Neuseelands wurde von zahlreichen fremden Prädatoren begleitet, die für das Aussterben vieler heimischer Vogelarten und anderer heimischer Tiere verantwortlich sind. Mit der europäischen Besiedlung wurden aus den meisten neuseeländischen Wäldern Weiden und Wirtschaftswälder mit importierten Baumarten.
In unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Wellington wurde vor dreißig Jahren aus einem Tal mit aufgegebenem Gewerbe, einem Wasserspeicher und Wirtschaftswald ein umfassend eingezäuntes Reservat für ausschließlich heimische Fauna und Botanik. Dieses Reservat wurde ein Lebensraum für viele neuseeländische Vogelarten, einige fast ausgestorbene Arten haben sich regeneriert und erobern inzwischen Gebiete außerhalb des Reservats. Die Vögel des Reservats werden inzwischen auch in der Stadt Wellington beobachtet. Ein riesiger Erfolg war es, dass der so gut wie ausgestorbene Laufvogel Kiwi in dem Reservat gebrütet hat und sich in nun in anderen Gebieten, in denen invasive Prädatoren bekämpft werden, wieder ansiedeln.
Fitch dokumentiert den dramatischen globalen Rückgang der weltweiten Vogelpopulation, der bislang unaufhaltsam voranschreitet. Zum großen Teil ist das eine Folge der Intensivierung der Landwirtschaft, deren Folge zugleich ein massiver Rückgang der Insekten ist. Eine Lehre des in Wellington besuchten Reservats ist, dass stadtnahe, zugängliche Naturrestaurierung bei gleichzeitigem Ausschluss invasiver Arten das Verständnis für Naturschutz fördert.
Nairoby, Kenya, The city with space for big animals. Inzwischen ist das vor fast einhundert Jahren in der Kolonialzeit geschaffene Reservat Nairoby National Park (117 Quadratkilometer) von drei Seiten von der rasant wachsenden Stadt eingeschlossen. Es beherbergt Gehege zur Pflege großer Tiere und wird von der kenianischen Bevölkerung, auch Schulklassen in großer Zahl besucht, die auf diese Weise die heimische Fauna und Vegetation kennen und schätzen lernen. Jahreszeitliche Migration zur offenen Landschaft bringt auch große Wildtiere in das Reservat, die zum Beispiel in der trockenen Jahreszeit die Tränken im Reservat aufsuchen.
Eine große Zahl der Naturschutzreservate in Kenia jedoch ist viele Einnahmen bringenden Touristen vorbehalten, die für exotische Luxusurlaube in solchen Reservaten geschützte Natur bewundern. Für Kenianer, die als Rinder züchtende Nomaden die Reservate nicht betreten dürfen und damit einen wichtigen Teil ihrer Lebensgrundlage verlieren, ist diese Form des Naturschutzes, der in Europa und den USA medial gepriesen wird, lebensbedrohlich.
Ausgehend von den gesellschaftlichen Widersprüchen der als Naturschutz konzipierten staatlichen Reservate diskutiert Fitch die aktuelle globale Perspektive großer Wildtiere. Der weltweite Viehbestand zur Einordnung ist dreißigmal größer als alle Wildtiere, gemessen am Gewicht. Es ist es Ziel internationaler Vereinbarung 30 Prozent der Fläche der Natur zu belassen, um Biodiversität zu erhalten. Einerseits ist die Welt von diesem erklärten Ziel weit entfernt, andererseits besagen verschiedene Forschungsergebnisse, dass ein erheblich höherer Anteil für die Natur reserviert werden müsste, um eine weitere Reduzierung der Biodiversität aufzuhalten.
Ein wichtiges Hindernis für Wildtiere ist der Bau von Straßen, die in der Summe bereits 600mal dem Erdumfang entsprechen. Sie sind immer häufiger ein oft tödliches Hindernis für Wildtiere, die das Quartier wechseln. Dieses Hindernis erfordert viele sichere Übergänge für Wildtiere. Es sind bereits zahlreiche erfolgreiche Übergänge für Wildtiere errichtet worden, die den Wert solcher Übergänge für Wildtiere belegen. Ohne sichere Verbindungen für Wildtiere kommt es zu Inseln geschützter Natur, die wegen fehlendem genetischem Austausch Gefahr laufen, ihr eigentliches Ziel langfristig zu verfehlen.
Die Botschaft aus Kenia lautet: Verständnis einer breiten Mehrheit der Bevölkerung für die Notwendigkeit, die Natur zu schützen, ist eine Voraussetzung, wirtschaftliche Interessen und Naturschutz angemessen zu berücksichtigen. Das stadtnahe Reservat wird für die einheimische Bevölkerung attraktiv organisiert. Es macht Fitch optimistisch, dass in Zukunft in Kenia Naturschutz Ziel staatlichen Handelns sein kann.
Sydney, Australia, The city where there is life underwater. Die meisten Städte dieser Welt liegen an den Ufern der Ozeane und bedeutender Flüsse und haben in der Folge ihrer wirtschaftlichen Entwicklung die jeweiligen Küstengewässer massiv geschädigt. In Sydney wurde die bedenkenlose Entsorgung des städtischen Abwassers ins Meer Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts beendet, Umwelt belastende Schwerindustrie im Hafenbereich wurde zu gleicher Zeit aufgegeben. Die Initiativen den gesamten Küstenbereich zu einem Schutzreservat zu erklären, konnten sich jedoch politisch nicht durchsetzen.
Ein im Küstenbereich vor einem halben Jahrhundert aufgegebenes Schiff war umfänglich von vielen Meereskreaturen besiedelt und regte Umweltaktivisten an sterile Kaimauern mit verschieden gestalteten Kacheln auszustatten, die von den verschiedensten Meereskreaturen besiedelt werden.
Diese „lebenden Meereswände“ waren sehr erfolgreich und haben weltweit bereits Nachahmung gefunden. Empirisch konnte gezeigt werden, dass viermal mehr Meereskreaturen diese Wände besiedeln als die üblichen Kaimauern. Zugleich nimmt die Artenvielfalt der Fische deutlich zu. Die verbreitete Neigung Hauswände von Efeu zu „befreien“ und u.a. Kaimauern zu „reinigen“ gilt es zu überwinden und die jeweilige Bedeutung für die lokale Fauna zu erklären.
Die Schilderung der Erkundung in Sydney führt zu dem grundsätzlichen Problem der Schutzzonen, maritimer Reservate, die von der Fischereilobby als Existenzbedrohung abgelehnt werden. Fitch lehnt beschränkte Schutzzonen ab, in denen noch gefischt werden darf. Er hält dem entgegen, dass umfassende Schutzzonen zu Reproduktionszonen der Fischpopulationen werden, aus denen Fische wandern und den Fischfang außerhalb dieser Zonen fördern.
Munich, Germany, The city with the free flowing river. Die durch München fließende Isar war historisch für das Flößen von Fluss aufwärts geschlagenem Holz bedeutsam, zugleich aber ereignete sich alle paar Jahre ein extremes Hochwasser, das zu schweren Schäden in der Stadt führte. Folglich wurde die Isar durch massive Eingriffe reguliert und kanalisiert durch die Stadt geleitet.
Eine aufwändige Renaturierung des Flussverlaufes im Stadtgebiet trägt inzwischen in großem Maße zur Stadtnatur und Lebensqualität in München bei. Fitch dokumentiert den raschen Erfolg der gezielten Renaturierung für die Flussfauna und Vegetation, die das Isarufer zu einem attraktiven Erholungsraum für die städtische Bevölkerung gemacht haben. Die Renaturierung der Isar im Münchener Stadtgebiet verleiht der Förderung der Stadtnatur breite Akzeptanz.
Im Hinblick auf die gravierende Minderung der Biodiversität durch den rasanten ökonomischen Fortschritt der letzten hundert Jahre, dem alle Entwicklung untergeordnet war, ist die Renaturierung der Isar im Münchener Stadtgebiet, eine Insellösung, die z.B. den natürlichen genetischen Austausch vieler Fischarten nicht zulässt. Der Bau aufwändiger Fischtreppen war eine Fehlinvestition, weil im Gegensatz zu z.B. Lachsen isartypische Fischarten nur maximal 10 cm Niveauunterschied überwinden können. Erst wenn am gesamten Lauf der Isar die Flussregulierung fischgerecht renaturiert wird, kann die Natur der Isar und damit die Biodiversität sich insgesamt wieder regenerieren.
Es wird abschließend auf ähnliche Projekte in verschiedenen Ländern verwiesen und die unterschiedlichen Hindernisse bei der Umsetzung erläutert.
Barcelona, Spain, The walking-friendly city. Expandierende Textilindustrie führte zu enormen Bevölkerungswachstum, daher wurde Barcelona ab 1850 außerhalb der alten Kernstadt mit neuen umfassend modern geplanten Stadtteilen erweitert. Zwar wurden im 20. Jahrhundert für Parks und soziale Einrichtungen freigehaltene Flächen teilweise anderweitig bebaut, aber eine spontane Aktion in einem Quartier den Straßenraum für die Anwohner und Fußgänger zu gestalten und den Autoverkehr einzuschränken, sind nach Jahren politischer Auseinandersetzungen sog. Superinseln (katalanisch Superilla) in der äußeren Stadt eingerichtet worden. Sie umfassen mehrere Straßen, in denen Fußgänger „Vorfahrt“ vor Autos haben und viele Erledigungen ohne Auto möglich sind. Auf ähnliche Projekte wird in Berlin „Kiezbblocks“, Lissabon „Superquarteirão“ und Wien „Supergrätzl“ hingewiesen.
Die vielfältigen negativen gesundheitlichen Folgen des massiven Autoverkehrs werden dokumentiert. Er bringt Pendler aus dem weiteren Umland über die autogerechten Magistralen in die Stadt, zerschneidet die sorgfältig gestaltete Vorstadt, in einigen Abschnitten ist der Autoverkehr in einen Tunnel verbannt.
In diesen Fußgängerquartieren sind Eltern aktiv geworden und begleiten gemeinsam ihre Kinder auf Fahrrädern zur Schule und bilden einen kenntlich gemachten „Bicibus“ <Fahrradbus>, der geschützt den Autoverkehr kreuzt.
Die vielfältigen Maßnahmen in Barcelona zur Förderung der Fußgänger findet international Nachahmung. Die Ausgangslage ist, dass etwa 60 Prozent der Stadtfläche dem Autoverkehr dient und nur 25 Prozent für die anderen Verkehrsteilnehmer vorgesehen sind. Auch Elektromobilität löst das Problem nicht, denn Verkehrslärm und Feinstaub durch Abrieb der Reifen ändern sich nicht.
Copenhagen, Denmark, The city with edible streets. In Kopenhagen lernt Fitch, dass Köche international renommierter Restaurants wild wachsende Kräuter, Pilze und Früchte in der Stadt sammeln, die nicht angebaut werden, aber u.a. den Speisen ein exquisites Aroma verleihen.
Den öffentlichen Raum in der Stadt essbar zu machen, wurde ein Teil der „grünen Gestaltung“ der öffentlichen Räume in der Stadt. Es werden u.a. Obstbäume, Wild- und Strauchobst gepflanzt und die alte dänische Tradition des „Sammelns“ im ganzen Land wiederbelebt.
Das Sammeln von Lebensmitteln und Jagen wurde menschheitsgeschichtlich durch Landwirtschaft ersetzt. Einige Anthropologen halten dies für den schlimmsten Fehler in der Menschheitsgeschichte. Diese Entwicklung ging einher mit der Entwicklung von patriarchischen Strukturen.
Heute werden 50 Prozent der bewohnbaren Fläche der Erde von der Landwirtschaft beansprucht. Sie ist für 80 Prozent der Vernichtung von Wald verantwortlich. Sie hat globale Märkte entwickelt, deren Ausrichtung vorwiegend auf zahlungsfähige Nachfrage gerichtet ist, über die nur eine Minderheit der Weltbevölkerung verfügt, die Fleisch, Milchprodukte und industriell verarbeitete Lebensmittel konsumiert. Dieses Konsumverhalten führt zu globalem Transport der landwirtschaftlichen Produkte, die als hochwertige Futtermittel intensive Viehzucht ermöglichen. Im Ergebnis beansprucht diese zahlungsfähige Minderheit einen übergroßen Anteil der weltweiten Anbaufläche. Dieser die weltweite Landwirtschaft bestimmende Lebensstil führt zur Industrialisierung der Landwirtschaft, die insgesamt sehr viel klimaschädliches CO2 produziert.
Die Schilderung des Sammelns von Essbarem in Kopenhagen ist zugleich eine Anregung zu einer geänderten Konsumorientierung zu frischen und lokal produzierten Lebensmitteln statt industriell verpackten Produkten, deren weltweiter Ursprung meist wenig transparent ist. Das in Kopenhagen populär werdende „Sammeln“ ist eine kleine Rückkehr zur klassischen skandinavischen Mahlzeit: Fisch, frisches Gemüse, Früchte, Nüsse, Joghurt und Roggenbrot.
In den Niederlanden hat man bei der Anlage eines neuen Stadtteils bereits auf öffentliche Flächen u.a. Obstgehölz ausdrücklich zum Ernten für die Anwohner vorgesehen.
Flagstaff, United States, The city where night is protected. Dem Thema „Lichtverschmutzung“ ist der Besuch von Flagstaff im Norden von Arizona gewidmet. Ein Berg über der heutigen Stadt wurde im 19. Jahrhundert zum Bau eines großen Teleskops wegen der damals dort herrschenden Dunkelheit gewählt. Es war eine wenig besiedelte einsame Gegend. Das mittlerweile zu einer modernen amerikanischen Großstadt gewachsene Falstaff hat durch übliche nächtliche Beleuchtung die Leistungsfähigkeit des Teleskopes massiv beeinträchtigt. Beginnend in den fünfziger Jahren hat man die vielfältige nächtliche Beleuchtung auf das notwendige beschränkt und vor allem nur auf den Boden gerichtet, um die Beeinträchtigung des Teleskopes möglichst gering zu halten.
Etwa zur gleichen Zeit hat man die häufige Fehlorientierung von Zugvögeln durch hell beleuchtete Hochhäuser in großen Städten der Vereinigten Staaten festgestellt. Die verschiedenen negativen Folgen der „beleuchteten Nacht“ für die nachtaktive Fauna sind inzwischen umfassend dokumentiert. Lichtverschmutzung ist heute als eine erhebliche globale Beeinträchtigung der Aufrechterhaltung der Biodiversität erkannt und wird zunehmend bei der Gestaltung nächtlicher Stadtbeleuchtung berücksichtigt. Im Frühling und Herbst wird aus Rücksicht auf die Zugvögel z.B. die Beleuchtung von Hochhäusern gedimmt. Zur Schonung von Insekten, z.B. Nachtfalter, wird Straßenbeleuchtung in einigen Städten bereits nach unten gerichtet und auf notwendige Helligkeit beschränkt.
Paris, France, The city where death creates life. Entgegen der Erwartung thematisiert Fitch bei seinem Besuch in Paris nicht die außerordentlichen Veränderungen Umweltpolitik in Paris unter der Bürgermeisterin Hidalgo, sondern berichtet über seinen Besuch eines Friedhofs, der die Bestattung streng ökologisch vornimmt. D.h. die Toten dürfen nur mit kompostierbaren Textilien bekleidet sein. Gleiches gilt für den Sarg oder Tuch. Der Tote wird sich so in überschaubarer Zeit in Humus, das Material für neues Leben, verwandeln und nur für vergleichsweise geringe Zeit, urbane Fläche beanspruchen.
Angesichts des Raummangels in Millionenstädten beanspruchen die traditionellen Formen der Beerdigung erhebliche Flächen oder verursachen im Falle der Verbrennung große Mengen CO2.
Epilogue. Fitch würdigt das eingangs beschriebene Engagement in London, die urbane Natur zu fördern. Da Dreiviertel der Weltbevölkerung absehbar in Städten leben werden, ist eine umfassende Entwicklung der Stadtnatur, in der man „Frisches“ sammeln und anbauen kann, dringend geboten. Die Beschreibung und Diskussion der unterschiedlichen Maßnahmen zur Förderung der Stadtnatur in weltweit zwölf Städten ist ein umfassend dokumentiertes Angebot und eine Anleitung, mit der Entwicklung der Stadtnatur in der eigenen Stadt zu beginnen.
Peter Lock, Mai 2025
elektron. Post: Peter.Lock@t-online.de